Befragung eines Funktionärs

Vorbemerkung: Der von uns interviewte Funktionär ist hauptberuflich in der oberen Etage eines Sportverbandes tätig. Er, der sich selbst als "sportsozialisiert" bezeichnet, hält dieses Charakteristikum nicht unbedingt für eine Voraussetzung seines Berufszweiges.

Hier seine wichtigsten Aussagen:

Frage: Kann man den Funktionär als Manager des Sports definieren?

Antwort: Ja, unbedingt! Generell handelt es sich ja um Infrastruktur-Planung (inhaltliche Gestaltung, Ideenproduktion, Richtlinienentwicklung etc.) im Sportbereich, bei der die Verantwortung für die Manager sehr groß ist. Die zeitliche Inanspruchnahme und der Streß, den so eine 60-Stunden-Woche mit sich bringen, werden allerdings - gemessen an der Bezahlung in der freien Wirtschaft - nicht angemessen honoriert.

Frage: Wie fair sind Funktionäre ihren Kollegen gegenüber?

Antwort: Wenn es darum geht, Interessen durchzusetzen, zeichnen sich Funktionäre im Sportbusiness nicht unbedingt durch ein besonderes Maß an Fairneß aus.

Frage: Wie steht es um die finanziellen Mittel für Ihre Arbeit?

Antwort: Erst einmal muß festgehalten werden, daß wir mit unseren Vereinen den reinen Privatanbietern gegenüber konkurrenzfähig, also für die Öffentlichkeit attraktiv, bleiben müssen. Mit der Sportförderung wird eine ökonomischsinnvolle Sportentwicklungspolitik betrieben, und unser soziales Engagement steht außer Frage. Gerade dort kann der Sport seine hervorragende Rolle spielen, wo es gilt, menschliche Kontakte zu knüpfen und gesellschaftliche Klassenunterschiede abzubauen. Daß die Verteilung der finanziellen Mittel - durch parteipolitische Bindungen von Sportfunktionären - nicht immer ausgewogen ist (denn da gibt es schon mal Vetternwirtschaft), liegt auf der Hand.

Frage: Letztendlich sind die TopAthleten/ innen in Ihrem Metier Ihr "Kapital"; wie können Sie dies geschickt vermehren?

Antwort: Geld regiert die Welt! Habe ich nicht genug Kader-Athleten/innen in den 20 Olympiastützpunkten, um Bundesgelder zu bekommen, so muß ich die geeigneten Leistungsträgerlinnen eben anwerben: Beste Betreuung in ihrer Disziplin, adäquate Wohnung, berufliche Hilfestellung und kleine Finanzspritzen - nur so läuft das.

Frage: Wie beurteilen Sie in diesem Zusammenhang Kinderleistungssport und Doping?

Antwort: Das scheint eine Spirale ohne Ende: Im Leistungssport werden nun mal Höchstleistungen gefordert, die öffentlich anerkannt und honoriert werden. Höchstleistungstraining und -wettkämpfe der Kinder bleiben aus entwicklungspsychologischer und medizinischer Sicht problematisch. Ich bin nicht sicher, ob man überhaupt solche optimalen Bedingungen schaffen kann, die die Nachteile für die noch Unmündigen kompensieren.

Es ist offenkundig, daß die DopingDiskussion unehrlich geführt wird: Viele Leistungsnormen sind doch nur mit pharmakologischem Know-how erreichbar, und wer clevere Vereinsärzte hat und bei Kontrollen nicht geschnappt wird, hat Glück gehabt (?) und genießt weiterhin Anerkennung und Unterstützung. Die Kehrseite der Medaille zeigte eindrucksvoll der Fall KRABBE.

Solange die Reputation einer Nation am Medaillenspiegel gemessen wird und man mit allen Mitteln zum Erfolg kommen will, werden sich die Widersprüche im modernen Hochleistungssport nicht auflösen.

Frage: Glauben Sie, es sei deshalb sinnvoll, sich als Funktionärfür Fa im eß einzusetzen?

Antwort: Ich bin der Überzeugung, daß die Initiativen für mehr Fairneß durchaus vom Leistungssport als Medienträger ausgehen sollten. Das schafft Publicity und positiven Einfluß auf die Jugend. Die Funktionäre sollten diese Impulse - auch wenn sie im Leistungssport prinzipiell nichts verändern - fördern.

  • Wie sehen Sie die Verquickung von Sport und Wirtschaft sowie die Vermarktung von Sportlern in bezug auf Fair Play?
  • "Geld regiert die Welt." Kann ein Funktionär Fair Play praktizieren, wenn es um sportlichen und finanziellen Erfolg geht?
  • Halten Sie Abwerbungspraktikenfür fair?

Gedanken von Adolf Ernst H. , 39 Jahre alt (Ehrenamtlicher Funktionär in einem Dorfverein)

... Meine "Funktionärskarriere" in unserem Verein darf sicherlich stellvertretend für viele hier stehen. Nach verletzungsbedingter Beendigung meiner aktiven Fußballerlaufbahn ergab sich die Übernahme von Betreuungsaufgaben im Verein wie von selbst. Neben dem Training der B- und A-Jugend stieg ich im Laufe der Jahre zwangsläufig auf der Funktionärsleiter nach oben:

Als Stellvertretender Vorsitzender des Vereins und Betreuer der 1. HerrenMannschaft bin ich nun auch für die Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich.

Besonders großen Wert legen wir auf die Jugendarbeit, doch ist mir die Betreuung unserer in der 1. Kreisliga spielenden Fußballmannschaft eine ebensolche Herzenssache. Überdies bin ich sowieso "Mädchen für alles".

In unserem Team herrscht zwischen Spielern und Funktionären eine gute, entspannte Atmosphäre, auch die Integration neuer Spieler ging problemlos, was mir bei meinen vielfältigen Aufgaben sehr hilft.

Auch in der Kreisliga geht es ums liebe Geld. Nach anfänglichen Fehlern beim Einkauf von Spielern und diversen Prämiensystemen, die den Rückzug von Sponsoren zur Folge hatte, standen wir mit DM 25.000 in der Kreide. Die teuren Spieler verließen den Verein, wir stiegen ab und wurden zum Gespött der Nachbardörfer. Damals haben wir uns im Vorstand zusammengerauft, und mit einem neuen, durchdachten Konzept sind wir bis heute gut gefahren.

Wir haben ein solides Finanzierungssystem und Bedingungen im sozialen Umfeld, unter denen sich unsere Spieler sicher und wohl fühlen können.

Natürlich gibt es hin und wieder Konflikte: Ich denke da an den speziellen Fall eines Spielerboykotts gegen den Trainer, aus dem einige schadenfrohe Nachbarvereine durch Abwerbungsmanöver gleich ihren Nutzen ziehen wollten. Aber auch dieser Konflikt konnte nach langem Hin und Her gelöst werden. Das gegenseitige Abwerben guter Spieler ist gerade hier auf dem Lande ein großes Problem. Deshalb versuchen wir - soweit dies möglich ist - Spieler aus dem eigenen Nachwuchs heranzuziehen, doch gegen die finanziellen Verlockungen von außen sind selbst die idealistisch gesinnten Spieler nicht gefeit. Durch gezielte Hilfe bei der Arbeitsplatzsuche sind wir natürlich bestrebt, unsere Eigengewächse so lange wie möglich zu halten.

Größere Vereine als Vorbild

Man muß nicht ständig auf unfaire Machenschaften von Profikickern und Vereinen - wie sie tagtäglich in den Medien präsentiert werden - hinweisen, denn auch in den unteren Klassen kommt dergleichen vor: Zur Einweihung unseres neuen Platzes, zu der wir schon die feste Zusage der Mannschaft des nächstgrößeren Vereins unserer Gegend hatten, erschien diese aus fadenscheinigen Gründen nicht; später mußten wir verärgert zur Kenntnis nehmen, daß sie das lukrativere Angebot einer Versicherungsgesellschaft vorgezogen hatte.

Wichtigkeit des Zusammenhalts von Nachbarvereinen

Leider arbeiten nicht alle Vereine in der Umgebung nach ähnlichen Prinzipien wie wir; so sind Werbepraktiken und Spielereinkäufe schon zu Jahresbeginn zur Unsitte geworden, gegen die man als finanziell schwächerer Verein machtlos ist.

Dennoch setzen wir in Zukunft auf faire Kooperation zwischen den ländlichen Mannschaften. Fairneß von unserer Seite wiederum gebietet uns, den Entwicklungsmöglichkeiten junger talentierter Spieler nicht im Wege zu stehen und sie für die nächsthöhere Liga zu empfehlen.

Medienschelte

Die Medien, mit ihrem immensen Einfluß auf das Verhalten der jungen Menschen, können und sollten Fair Play zu einem Schwerpunkt machen. Leider herrscht auch hier noch großer Nachholbedarf.

Negatives dazu haben wir auch in unseren Reihen erfahren müssen - insofern, als die Lokalpresse bei unseren Aufstiegsplänen eine unrühmliche Rolle spielte: Durch spektakuläre und völlig aus dem Zusammenhang gerissene Meldungen fügte sie unserer Mannschaft mehr Schaden als Nutzen zu. Neid und Mißgunst im Gefolge dieser Pressekampagne kostete uns sogar letztlich einige Punkte und verschlechterte unser Verhältnis zu den Nachbarvereinen.

Viel zu oft sind die Medien noch immer nicht an einer objektiven und fairen Berichterstattung interessiert; Probleme oder gar Skandale sind für sie publizitätsträchtiger. Sie übertreiben nicht nur maßlos und entstellen die Tatsachen, sondern sie schüren hin und wieder sogar ganz gezielt Konflikte.

Bei uns stehen gesunder Ehrgeiz und Kameradschaftlichkeit gleichwertig nebeneinander. Das Wohl des Sportlers ist unser oberstes Gebot, und so hoffen wir auch auf eine faire Zusammenarbeit von Funktionären und Medien.

  • Läßt sich die alleinige Orientierung am Erfolg mit dem Wohl der Sportler vereinbaren?
  • Stimmen die Interessen von Verbänden und Vereinen mit denen der Sportler überein?
  • Kennen Sie Beispiele dafür, daß sich Funktionäre gegenüber Sportlern unfair verhalten haben?
  • Läßt sich sportlicher Erfolg kaufen?

Funktionär/in und Fair Play

"Fairneß ist die wesentliche ethische Grundlage im Sport. Diese Grundhaltung lebt ... vor allem im Freizeitbereich und in weniger publikumswirksamen Sportarten und Einzeldisziplinen ... Dennoch muß man darüber besorgt sein, daß Unfairneß von Sportlern und von Zuschauern in den letzten Jahren zugenommen hat, gezielt genutzt und hingenommen wird. Dies zeigt sich in Regelverletzungen, etwa der Manipulation von Geräten, in Täuschungen, im psychischen Druck, der auf Schiedsrichter ausgeübt wird .. . Man muß auch besorgt sein über unfaires Verhalten unter Funktionären und zwischen Sportorganisationen. "

Diese Passage aus dem Bericht über einen Arbeitskreis beim Bundestag des Deutschen Sportbundes 1984, der unter dem Motto "Fair miteinander leben" stand, zeigt, wie dringlich die Vermittlung des Prinzips Fairneß, die Fairneßerziehung sowie die Fort- und Weiterbildung von Funktionärenlinnen in diesem sensiblen Bereich geworden sind.

Aus dem Fair Play als sportlicher Handlungsmaxime - wie sie von Athleten/ innen erwartet wird - ergeben sich somit auch für Funktionäre/innen zentrale Forderungen:

1. Es gilt, den Gegner als Partner zu achten, die Rechte des Sportlers anzuerkennen, die Athleten/innen als gleichberechtigte, ernst zu nehmende Persönlichkeiten zu akzeptieren und Wettkampfbedingungen zu schaffen, die das kameradschaftliche Mit- und Gegeneinander in angemessener Weise ermöglichen.

2. Es gilt, den Erfolg um jeden Preis nicht über alles zu stellen, die Athleten/ innen zum Einsatz aller natürlichen Kräfte zu animieren, ohne die spielerische Freude am sportlichen Tun zu .unterdrücken.

3. Es gilt, auf die strikte Einhaltung der Wettkampfregeln zu achten, unsportliche Vorteilnahme zu unterbinden und die Chancengleichheit aller in jedem Moment zu gewährleisten.

 

1. Den Gegner als Partner annehmen

Matthias Zdarsky ist einer der großen Pioniere des alpinen Skisports. Er erfand nicht nur den Torlauf, sondern auch die Skibindung... Die neue Bindung ermöglichte eine schnellere Fahrt, schwerere Stürze waren die Folge. Zdarsky erkannte sofort die Gefahr. Am 19. März 1905 fand auf seine Anregung im Gebiet de s Sonnwendsteins der erste Torlauf statt, ausgeschrieben für Damen und Herren. In der sogenannten "Wett f ahr-Urkunde" wurde die Zahl der Stangen nicht f estgehalten. Es stand jedoch darin die Begründung: "Um die Geschwindigkeit zu r eduzieren." Als Schlußsatz stand unt er dem Protokoll: " We ttübungen sollen unter solchen Bedingungen durchge f ührt we rden, daß niemals Disharmonie zwischen Kraf t und Schönheit, zwischen Leistungs f ähigkeit und Gesundheit eintritt." (Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 20.03.1985)

Es gärt und brodelt in der Ski-Branche. Nach einer fast beendeten Saison, die geprägt ist von unwürdigen WeltcupRennen, irregulären Bedingungen, mangelnden Sicherheitsvorkehrungen und dem unrühmlichen Höhepunkt der vom Winde fast verwehten Weltmeisterschaft im japanischen Morioka Anfang Februar, klagen nun Frauen und Männer in ihrem Sport Konsequenzen ein.

Zeitgleich mit der Revolte in LilIehammer holten auch die Männer im spanischen Sierra Nevada, dem designierten und wie Morioka umstrittenen Weltmeisterschaftsort des Jahres 1995, "endlich die Keule raus", wie es Deutschlands Vorzeige-Rebellierer Armin Bittner drastisch formuliert. Angeführt vom italienischen Branchenriesen Alberto Tomba ("unmögliche Pisten verhältnisse" ), veweigerten die besten Slalomspezialisten den Start.

"Nun reicht es", sagt Armin Bittner,,, wir wollen nicht länger als Leibeigene von Leuten bestimmt werden, die keine Ahnung haben."

Zu oft und vor allem zu lange schon treffen die Verantwortlichen des Internationalen Ski-Verbandes (FIS), geleitet vom seit 1951 amtierenden Präsidenten Marc Hodler, sportpolitische Entscheidungen, die an den Bedürfnissen der Aktiven vorbeigehen.

Diese Beispiele aus der Welt des SkiZirkus machen die Diskrepanz zwischen Fair-Play-Anspruch und Funktionärsgebaren deutlich: Im Konflikt zwischen verantwortlichem Handeln zugunsten der ihm unterstellten Athleten/innen und persönlichem Machtstreben, agiert der/ die Funktionärlin nicht selten gegen elementare Bedürfnisse und sogar wider die Gesundheit der ihm untergebenen Sportler. Leider haben hier allzu oft kommerzielle Interessen Priorität. Aus diesem Grunde ist es angezeigt, daß sich die Verantwortlichen immer wieder ihre sozialen Pflichten gegenüber den ihnen anvertrauten Athleten/innen ins Gedächtnis rufen und sich den mündigen jungen Menschen partnerschaftlieh verbunden zeigen. Optimale Wettkampfstätten und medizinische Für- und Vorsorge für die ja überaus lukrativen Medaillenanwärterlinnen sollten eine Selbstverständlichkeit sein.

Sportler/innen und Funktionäre/innen in der Auseinandersetzung

Die Schaffung von Sportlergewerkschaften, die Wahl von Aktivensprechern, die gleichberechtigt in den obersten Gremien über ihre ureigenen Angelegenheiten mitentscheiden, müßte in einem demokratischen Land schon längst sportpolitische Realität sein; und dies nicht nur im Spitzensportbereich, sondern auch im Kinder-, Jugend- und Frauensport. Mitunter mangelt es den verantwortlichen Vereinsfunktionären am nötigen Fingerspitzengefühl, um Wünsche und Bedürfnisse der Betroffenen richtig einzuschätzen. Deshalb muß das Mitspracherecht dieser Gruppen satzungsmäßig in den Vereinsstatuten verankert und im Sportalltag praktiziert werden! In diesem Zusammenhang gilt das Augenmerk besonders der Problematik des Kinder-Hochleistungssports, denn ungeachtet vieler Bemühungen und Resolutionen in diesem Bereich ist der Schutz der heranreifenden Kinder und Jugendlichen - auch unter dem Grundgesetzaspekt der Menschenwürde - bis heute nicht in ausreichendem Maß gegeben.

Die Aussage des früheren Präsidenten des Deutschen Sportbundes, Willi Weyer, daß es dringend geboten sei, sich von jenen Sportarten international zu verabschieden, in denen die Menschenwürde der Kinder auch nur ansatzweise durch Trainingsmaßnahmen und Wettkampfüberforderung ·verletzt werde, weist auf die große Verantwortung der Sportfunktionäre/ innen hin.

  • Worin unterscheidet sich das Verhalten des alpinen Skisport-Pioniers Zdarsky von dem der Funktionäre der FIS?
  • Welches sind die Ursachenfür dieses unterschiedliche Verhalten? Welche Interessen stehen im heutigen Skirennsport der Einstellung Zdarskys entgegen?
  • Wie· beurteilen Sie das Selbstbestimmungsrecht von Athletenlinnen und Vereinsmitgliedern?
  • Wie ist Ihre persönliche Einstellung zu den Gefahren des Kindersports? Würden Sie Ihre eigenen Kinder ohne weiteres einem Hochleistungstraining aussetzen?

2. Über Gewinnstreben und Spielerfreude

 

Mit Wurfleistungen, die vor kurzem noch als außerordentlich angesehen, mit Weiten, die mich auch ohne Anabolika immerhin die beste Diskuswerferin aller nicht-sozialistischen Staaten bleiben ließen, durfte ich nicht mit nach Montreal. Es hatte nicht gereicht in den Augen der Sportfunktionäre. Voll im Berufsalltag eingespannt und gefordert, war mir nicht rechtzeitig die gewünschte Weite gelungen. Die "Norm" war höher gewesen - die Anabolika-Norm. Als ich vor den Olympischen Spielen in einer Diskussion im internen Kreis auf diese Möglichkeit der Betrachtung und Umschreibung der bundesdeutschen olympischen Normen einmal hinwies, gab es nur eine lakonische Feststellung:

"Wie, du nimmst keine Anabolika? Dann bist du selbst schuld, wenn du es nicht schaffst!" Außer in meinem Verein und bei meinem Sportarzt fand ich keine Gleichgesinnten mehr. In "höheren Kreisen" der Sportführung dachte man anders. (Liesel WESTERMANN: Es kann nicht immer Lorbeer sein. Wien-München 1977, S.130-140)

SPORTS: "Wie verträgt sich das: Einerseits gegen Doping kämpfen, andererseits zum Medaillenspiegel schielen?"

MEYER: "Die deutsche Mannschaft war sauber in Barcelona. Aber plötzlich wurde ich angegriffen: "Mensch, diese Flaschen und dann erst der Meyer. So ein sportlicher Niedergang ... "

SPORTS: "Seit wann kennen Sie Pharisäertum im Umgang mit Doping?"

MEYER: "Bei der Europameisterschaft 1990 in Split ging es los: ,Nur sieben Medaillen. Schmeißt eure FlaschenTrainer raus', hieß es. Und ich saß da und ahnte genau, wie die Ergebnisse zustande gekommen sind. Beweisen konnte ich aber nichts. Also mußte ich antworten: ,wir wollen möglichst viele Cheftrainer anstellen.' Nicht mal vier Wochen hatte der DLV seine 32 Osttrainer und Ostfunktionäre. Nur um das klarzustellen: Osttrainer und Ostfunktionäre sind in der Vergangenheit, was Doping betrifft, nicht besser oder schlechter gewesen als wir im Westen." (Gespräch der Zeitschrift SPORTS mit dem Präsidenten des Deutschen Leichtathletik~ rbandes, Helmut Meyer, in SPORTS 1993, S.76-77)

Erinnern wir uns noch einmal der Worte Zdarskys von 1905: "Wettübungen sollen unter solchen Bedingungen durchgeführt werden, daß niemals Disharmonie zwischen Kraft und Schönheit, zwischen Leistungsfähigkeit und Gesundheit eintritt. "

Doch diese Disharmonie ist längst eingetreten, und die Zweifel des früheren DLV-Präsidenten an der Aufrichtigkeit des Kampfes gegen Doping sind nur allzu berechtigt.

Es steht zu befürchten, daß sich seit Liesel Westermanns mutigem Vorstoß nichts geändert hat, im Gegenteil: Ist es nicht pharisäerhaft, einerseits Leistungsnormen zu verlangen, von denen man weiß, daß sie ohne chemische "Unterstützung" nicht erreichbar sind, und andererseits Athleten/innen, die der Einnahme solcher Mittel überführt worden sind, mit langjährigen Sperren zu bestrafen?

Obendrein sind die Funktionäre/innen ja selbst in einer prekären Situation, da sie internationale Erfolge für ihr eigenes Image und die Reputation der Sportnation dringend benötigen, aber nach außen hin ihr hehres Fair-Play-Engagement wirkungssicher artikulieren müssen.

Das folgende Beispiel der Punktwertung für den Fair-Play-Wanderpokal des Weltfußball-Verbandes FIFA, anläßlich der WM 1986 in Mexiko, möge für das Dilemma stehen, in dem sich ein Verband befindet, der einerseits den Erfolg als oberstes Ziel anvisiert, andererseits Fair Play zu propagieren hat.

Die Strukturen und Regeln, die dem Sportbetrieb zugrunde liegen und in Gang halten, werden maßgeblich von Funktionären/ innen geschaffen und im Laufe der Zeit auch verändert. Damit das Gesamtsystem "funktioniert", müssen Vorstände, Verbände und Kommissionen die Wettkampfregeln eindeutig formulieren und die Wettkampfbedingungen für alle chancengleich gestalten. Die Interessen und Bedürfnisse der Athleten/innen müssen absolute Priorität haben und dürfen nicht mißachtet werden. Darüber hinaus müssen sich Funktionärelinnen auch daran messen lassen, wie sie sich bei Erfolg oder Mißerfolg ihrer Sportler/ innen verhalten, denn es zeugt nicht von Sportsgeist, sich heute im Glanze von Weltmeistern und Medaillengewinnern zu sonnen, hingegen weniger erfolgreiche Teilnehmerlinnen zu ignorieren und sie in der Stunde der Niederlage womöglich allein zu lassen!

Rechtfertigt der Erfolg alle Mittel?

  • Wie beurteilen Sie den Konflikt, den der frühere DLV-Präsident Helmut Meyer beschreibt?
  • Wie können Funktionäre/innen selbst aus diesem Dilemma herausfinden? Welche Eigeninitiativen könnte von ihnen ausgehen?
  • Halten Sie die Punktwertung beim FIFA-Fair-Play-Wanderpokal für sinnvoll und zeitgemäß?
  • Haben Sie Vorschläge für eine angemessenere Punktwertung?

3. Regeltreue und Chancengleichheit

"Die Schweizer arbeiten mit allen Tricks", sagt Techniktrainer Rainer Gattermann.

Beispiel Nummer eins: Wenige Minuten vor dem zweiten Riesenslalomdurchgang wurde die Strecke gesalzen, Das macht die Piste für die ersten langsam, für die letzten schnell. Die Schweizer Zurbriggen und Gaspoz gingen als 14. und 15. in den entscheidenden Durchgang.

Beispiel Nummer zwei: "Die Gastgeber', sagt Gattermann,,,haben den einzig sinnvollen Hang zum Slalomtrainingfür sich gepachtet. Nur diese Piste ist steil und hart genug."

Beispiel Nummer drei: Der Riesenslalomtrainingshang der Deutschen wurde über Nacht durch die Kettenspuren von Pistenraupen unbrauchbar gemacht. Wasmeier und Co. mußten auf das Trainingsgelände der Damen ausweichen. Alles Zufall? "Nein", sagt Rainer Gattermann,,,da steckt Methode dahinter. Die nutzen ihren Heimvorteil schamlos aus." (Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 06.02.1987)

Nervenkrieg um Sandboden vor dem Davis-Cup-Duell

Der erwartete Nervenkrieg vor dem Davis-Cup-Spiel hat begonnen. Der spanische Teamkapitän Manuel Orantes verwahrte sich entschieden gegen Spekulationen der deutschen Seite, die spanischen Gastgeber im "Beat Club de Tennis Barcelona" könnten den roten Sand platz des Centre Courts technisch noch stumpfer machen. Die spanischen Spieler sind Sandplatzspezialisten, während die beiden deutschen Spitzenspieler Boris Becker und Erik leien eher eine Abneigung gegen Sand haben. (Hannoversche Allgemeine Zeitung vom 05.03.1987)

"Ich s ehe nicht ein, daß \'I ir unseren Athleten nicht die Chancengleichheit geben sollen. Kein Athlet geht hier an den Start, ohne irgendein Mittel eingenommen zu haben." (Olympiachejarzt Prof Dr. Nöcker, 1976).

Daß Funktionäre mitunter ganz gezielt ihrer eigenen Mannschaft Vorteile verschaffen und damit den Grundgedanken des Fair Play mißachten, zeigt sich deutlich auch im modernen Tennis und im Ski-Weltcup. Der Kampf um immer raffinierteres Material und aerodynamischeres Outfit hat bedenkliche Formen angenommen. Durch die Medien präsent sind ja auch verbale Attacken einiger Spieler gegen Linien- und SchiedsrichterEntscheidungen. Wilhelm Bungert, früherer Kapitän der Deutschen DaviscupMannschaft, galt geradezu als rückständig, weil er - dem Prinzip des Fair Play treu - fragwürdige Schiedsrichter-Entscheidungen respektierte. Man warf ihm Mangel an Cleverneß vor, die der deutschen Crew im internationalen Vergleich zum Nachteil gereiche!

Bedenkt man, daß die Höhe der Zuwendungen an die großen Sportverbände durch das Bundesinnenministerium von internationalen Erfolgen abhängig ist, so wird klar, unter welchem Leistungs- und Erfolgsdruck die verantwortlichen Bundestrainer und Hauptfunktionäre stehen! Zu Recht meint deshalb auch Cornelia Hanisch, die Fecht-Olympiasiegerin, daß ein wichtiger Beitrag zu weniger Manipulation und damit zu mehr Fair Play darin besteht, die Höhe der finanziellen Zuwendungen nicht mehr nur vom internationalen Leistungsvergleich abhängig zu machen.

Es reicht eben nicht, Fair-Play-Pokale zu verteilen und in schönen Reden Fair Play zu preisen, sondern es muß ein echter Gesinnungswandel einsetzen, der von den Schüler- bis zu den Seniorenklassen wieder sauberen, ehrlichen Sport präsentiert. Hier sind und bleiben die Sportfunktionäre in erster Linie als Anreger und Vorbilder gefragt.

  • Rechtfertigt der Hinweis auf die Chancengleichheit die Verabreichung von Dopingmitteln?
  • Was hat sich beim (Tennis-)Sport gewandelt, daß heute Regelverstöße, das hemmungslose Ausnutzen von Vorteilen als Cleverneß bezeichnet und der Verzicht auf Reklamationen und Vorteile als Mangel an Cleverneß gegeißelt werden?
  • Wie ist diesem Prozeß gegenzusteuern?
  • Welche Verantwortung haben hier die Funktionäre/innen?

Fairneß - ein Bestandteil der Fort- und Weiterbildung.

Es scheint dem Gros der Sportfunktionärelinnen schwerzufallen, Fair Play überhaupt als Thema und Problem des modernen Sports ernst zu nehmen. Wie anders ist es sonst zu erklären, daß sich bei einer Tagung der Lehrreferenten der Mitgliedsorganisationen des Deutschen Sportbundes im März 1985 in Hannover von 50 Lehrreferenten nur zwei für den Arbeitskreis "Fairneß als Ausbildungsinhalt" interessierten? Fairneßdebatten scheinen also als lästige Pflichtübungen nicht hoch im Kurs zu stehen.

Um die Bewußtseinsbildung in diesem Prozeß stärker voranzutreiben, bedürfen die Funktionäre/innen unbedingt kompetenter Unterstützung. Diese müßte über die verstärkte Aufnahme von Unterrichtseinheiten und Veranstaltungen zum Fair Play laufen. Weder in den "Rahmenrichtlinien für die Ausbildung im Bereich des Deutschen Sportbundes" noch in den Veranstaltungen des Jahres 1993 der Führungs- und Verwaltungsakademie Berlin des Deutschen Sportbundes ist dies jedoch der Fall.

Vergessen wir nicht, daß der Sport in seiner heutigen Form und Expansion ohne ehrenamtliche Funktionärelinnen nicht vorstell- und durchführbar ist.

Gerade diejenigen, die aus reinem Idealismus freiwillig und ohne Entlohnung im Verein aktiv sind, leisten einen unverzichtbaren Beitrag für die Gesellschaft. Dabei nehmen sie häufig persönliche und familiäre Belastungen - bis an die Grenze des Zumutbaren - auf sich.

Funktionäre/innen als Vorbilder!

Gerade die aktuellen Entwicklungen im Sportszenario des ausgehenden 20. Jahrhunderts - besonders die immense Kommerzialisierung - haben viele Orientierungsprobleme in Funktionärskreisen heraufbeschworen, so daß noch Defizite in puncto ihrer Vorbildfunktion bestehen. Das Handeln der hauptamtlichen Funktionäre/innen muß - im Hinblick auf die nachgeordneten Institutionen - in Zukunft noch kompromißloser auf Fairneß, auch in diesem Bereich ausgerichtet sein.

Dazu müssen vor allem intensive Kontakte zwischen Sportmanagern und ehrenamtlichen Funktionären/innen geschaffen werden! Die tiefe Kluft, die zwischen den "hohen Tieren" und den einfachen Helfern an der Basis herrscht, muß abgebaut werden. Freundschaftliche Kommunikation und permanenter Erfahrungsaustausch auf allen Ebenen sollten selbstverständlich sein.

Ethische Ansprüche im Sport

Im Rahmen der Fair-Play-Initiative des deutschen Sports versucht der Deutsche Sportbund den Fair-Play-Gedanken in vielen Ausbildungsgängen zu thematisieren sowie seinen Trainern und Übungs leitern ethische Ansprüche im Leistungssport (Fair Play, Dopinggefährdung etc.) eindringlich zu vermitteln . Doch reicht das aus?

Ist in vielen Ausbildungsgängen der Gedanke des Fair Play zumindest genannt, so fehlen sie in der OrganisationsleiterAusbildung - ja immerhin 180 Unterrichtseinheiten - gänzlich!

Auch in der Führungs- und Verwaltungsakademie des Deutschen Sportbundes vermißt man Inhalte dieser Bedeutung und Brisanz. Es ist also dringend geboten, hier neue Wege zu beschreiten und das Angebot an Lehrveranstaltungerr in diesem Sinne zu erweitern. Funktionäre/innen müssen in Zukunft die Weichen für ein faireres Verhalten aller Verantwortlichen stellen. Sie haben es in der Hand, Kinderleistungssport von allen schädlichen Einflüssen zu befreien, Fußball-Rowdytum zu eliminieren und Wechselmodalitäten der Athleten/innen eindeutig zu regeln. Dies sind nur einige Probleme, für die deutliche Richtlinien in Zukunft erarbeitet werden müssen.

Die Goldenen Regeln f~ür das FAIR-HALTEN von Funktionären

1. Die Belange des Vereins/ Verbandes haben Priorität - nicht persönliche Interessen.

2. Effiziente Arbeit der Vereins-/ Verbandsführung kann nur geleistet werden, wenn Konflikte offen ausgetragen und Probleme gemeinsam gelöst werden.

3. Zur Erfüllung der Aufgaben eines Funktionärs bedarf es einer professionellen Grundhaltung.

4. Fachkenntnisse und ein damit verbundener höherer Rang dürfen nicht zu Überheblichkeit und elitärem Gehabe führen.

5. Gedankenaustausch auf allen Ebenen ist der Sache dienlich und sollte selbstverständlich sein.

6. Sorgen Sie für Transparenz Ihrer Entscheidungen, und ermöglichen Sie Diskussionen zwischen allen Beteiligten.

7. Vergessen Sie nicht, daß Sie rechenschaftspflichtig sind, und handeln Sie verantwortungs bewußt.

8. Fair Play darf für alle keine bloße Phrase sein!

Die Goldenen Regeln für das FAIR-HALTEN gegenüber Funktionären

1. Unterschätzen Sie nicht den Arbeitsaufwand, der von Vereinsführung und Funktionären geleistet wird.

2. Unterstützen Sie die Arbeit im Interesse des Vereins/Verbandes.

3. Konstruktive Kritik sollte immer berücksichtigt werden.

4. Hinterfragen Sie Ihnen unverständliches "Fachchinesisch", und lassen Sie sich alle Entscheidungen und Resolutionen erläutern.

5. Wenn Sie mit Entscheidungen nicht einverstanden sind, müssen Sie dies begründen.

6. Schieben Sie nicht jegliche Verantwortung auf die Spitzenfunktionäre ab, sondern übernehmen Sie als mündiger Bürger einen Teil davon.

7. Sie sind für das menschliche Umfeld und soziale Klima in Ihrem Verein/Verband mitverantwortlich, also tragen Sie Positives dazu bei.

8. Erwarten und fordern Sie solide Arbeit von Funktionären, aber erwarten Sie keine unmöglichen "Kraftakte" von ihnen; gemeinsam lassen sich schwierige Probleme besser lösen.